Wohnen auf Rädern

Das Wohnen auf Rädern ist nicht etwa neuartig. Fahrendes Volk, Händler, Kleinkünstler, Schausteller und Abenteuerlustige wußten schon immer die Vorteile der mobilen Behausung zu schätzen, ebenso traditionell mobil wohnende Bevölkerungsgruppen wie Sinti und Roma. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden Wagen bis zur Wiederherstellung einer geordneten Wohnraumversorgung als Behelfsheime für Flüchtlinge, Vertriebene und Ausgebombte genutzt. Obwohl es sich im letzten Fall eindeutig um Opfer handelte, und die Wohnform alles andere als frei gewählt war, ließ sich dort genau wie bei Sinti und Roma eine Stigmatisierung der Bewohner durch das Umfeld beobachten. Dies scheint eine Gemeinsamkeit zu sein, die Wagenplatzbewohner mit den anderen Mobilwohnenden verbindet: die von Vorurteilen genährte, ängstliche Abwehrhaltung weiter Teile ihres Umfelds.

In diesem Fall geht es nicht um Landfahrerplätze als Stellflächen für kurzfristige Aufenthalte, sondern um solche Wagenplätze, auf denen Menschen längerfristig und in selbstgewählten und -organisierten Zusammenhängen leben wollen. Eine Gleichsetzung oder Zusammenlegung dieser Plätze ist daher nicht angebracht.

Interessant ist die auffallende Diskrepanz des öffentlichen Umgangs mit Wagenplätzen im Vergleich zu von ihrer Größenordnung viel bedeutsameren Formen geduldeten dauerhaften Wohnens in Kleingärten und auf Campingplätzen. Zu vermuten ist, daß die unterschiedliche öffentliche Bewertung dieser Wohnformen weniger auf den rechtlichen Bestimmungen als auf ästhetischen Empfindungen und „kleinbürgerlichen Ordnungsvorstellungen“ basiert.

Da das dauerhaft mobile Wohnen in Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern, insbesondere den USA, wo das Wohnen in Wagen eine anerkannte und weitverbreitete Wohnform ist, eine geringe Verbreitung hat, muß die große Aufmerksamkeit, die ihm in der politischen und medialen Öffentlichkeit gewidmet wird, im Zusammenhang gesehen werden mit dem veränderten Umgang der Öffentlichkeit mit Menschen, die dem was als gesellschaftliche Norm anerkannt ist, nicht entsprechen, bzw. nicht entsprechen wollen. Hier wird eine verstärkte Tendenz zur Ausgrenzung deutlich.

Begreift man die Entstehung von Wagenplätzen als ein Phänomen, das die Kritik an den bestehenden Wohnverhältnissen sowie die veränderten Wohnbedürfnisse eines Teils der Gesellschaft zum Ausdruck bringt, so ist es Aufgabe der Stadtpolitik, diesen Bedürfnissen der Bürger gerecht zu werden.
Quelle: http://www.wagendorf.de/studien/Schoenfeld-Pralle/Wohnen-ohne-Fundament.htm