Raus aus der Wohnhaft

Irgendwo am Stadtrand von Würzburg am Mainufer stehen sechs umgebaute und bunt bemalte Wohnwagen. In der Mitte der Formation ist ein Sonnensegel und eine kleine Essgruppe mit Grill. Hier haben sich die „Wagenleute“ kurzfristig niedergelassen. Auf dem Landfahrerplatz von Würzburg durften sie nicht mehr bleiben – dieser sei „nur durchreisenden Sinti und Roma vorbehalten“, so die Stadt Würzburg. „Das System macht und zu Illegalen“, erklärt der Wagenburg-Bewohner Fun Thomas. „Dabei ist der Mensch doch eigentlich gar nicht sesshaft – in jedem steckt in Wirklichkeit ein Nomade.“ Schon seine Eltern waren vom Wagenleben fasziniert und haben viel Zeit in ihrem mobilen Heim verbracht. Mit 16 Jahren wollte Thomas dann seinen eigenen Wagen. Mittlerweile hat er zwei. Sie sind komplett ausgebaut mit Dusche, Küche, Bett, Sitzecke und was man sonst noch zum Leben braucht. Für fließendes Wasser sorgen die blauen Wassertonnen auf dem Wagendach. Der 23-jährige Heil-Erziehungspfleger kann sich kein anderes Leben vorstellen: „Im Grunde ist das hier auch nichts anderes als eine Wohngemeinschaft – nur hat jeder von uns seinen eigenen kleinen Haushalt mit Flur und Garderobe im Freien“, sagt Thomas lachend. Im Wagen leben heißt Leben wagen – und das mit allen Konsequenzen“.
Daniel Danidan studiert Geografie in Freiburg. Zu Beginn seines Studiums wohnte der gebürtige Würzburger noch in einer 3er-WG. Die Mieten in Freiburg sind hoch und er musste etwa 3/4 seines Monatseinkommens für das Zimmer ausgegeben. Hinzu kam, dass er vom ewigen Putzwahn seiner Mitbewohner und deren Vorschriften genervt war. Dann hörte er vom Wagenleben und kaufte sich seine eigenen mobilen vier Wände. „Das war ein so gutes und richtiges Gefühl die WG zu verlassen. Jetzt kann ich auch noch um zwei Uhr nachts Musik hören, ohne dass sich jemand beschwert“, so Danidan. Die Wagenburg ist für den 27-jährigen wie eine flexible WG: „Wir stehen mit unseren Wägen zusammen auf dem Platz und helfen und aus. Es herrscht eine sehr große Loyalität und Hilfsbereitschaft unter den Wagenleuten. Aber man sich auch einfach für eine Weile wo anders hinstellen, wenn man genug voneinander hat“. Auch die finanzielle Situation des Studenten hat sich durch den Umzug ins mobile Heim verbessert: „Wenn du Miete zahlst hast du nichts davon – der Wagen jedoch gehört Dir“, erklärt Danidan. Anders als Fun Thomas könnte er sich allerdings vorstellen, später wieder sesshaft zu werden: „Wer weiß, vielleicht lebe ich irgendwann in einem schönen Haus irgendwo auf dem Land. Momentan ist das Wagenleben aber für mich die beste Alternative.“
Text von Mareike Hieber